ABSTRACT

Daß die Gradus ad parnassum von. J. J. Fux, (Wien, 1725) eines der wirkungsvollsten musikalischen Lehrbücher darstellen 1 und in gewissen Modifizierungen bis in unser Jahrhundert aktuell blieben, ist unbestritten. Diskussionen, ob man sie nur als Kontrapunkt-, als Theorie- oder gar Satzund Kompositionslehre verstehen könne, gibt es hingegen immer wieder. 2 Zu den Gründen hiefür gehören zweifellos Nachwirkungen unvollständiger Bearbeitungen oder Informationen, schlicht: Vorurteile. Ein weiterer mag auch in der Disposition des Werkes selbst liegen. Einer der wohl besten Kenner hat darauf hingewiesen, daß man neben der äußeren Gliederung in zwei Bücher (libri) einen vierteiligen Gesamtplan erkennen könne: dem ersten Buch entspreche dem Umfang nach (nämlich etwa 40 Druckseiten) das erweiterte Schlußkapitel des zweiten Buches, dazwischen lägen die zwei Hauptteile mit je etwa 100 Seiten. 3 So plausibel dies erscheinen mag, sieht es doch darüber hinweg, daß Fux selbst sein Werk als unvollständig bezeichnet hat: In den letzten Zeilen entschuldigt er sich, daß ihn seine Krankheit hindere, sein Werk (das er laut Praefatio schon vor vielen Jahren begonnen hatte) zu Ende zu führen. Er stellt daher eine weitere Schrift zur vielstimmigen Komposition (tractatum de plurimum vocum Compositione) in Aussicht, tröstet aber gleichzeitig, daß dem, der den vierstimmigen Satz beherrsche, der Weg zum Komponieren mit größerer Stimmenanzahl bereits offen läge; mit anderen Worten: sein Werk sei zwar nicht ganz vollständig, aber hinreichend. Dies mag Anregung genug sein, die Disposition näher zu analysieren und nach etwaigen weiteren Bruchstellen zu suchen.