ABSTRACT

Für eine genaue Kenntnis der Vokalwerke Bachs kommt den originalen Textdrucken als primären Quellen eine besondere Bedeutung zu. Sie erschließen Aufführungsdaten und -orte, verdeutlichen den Anlaß und enthalten die dabei dargebotene Textversion. Dem Anlaß entsprechend ist der Druck schlicht oder aufwendig, das Format handliches Oktav oder großzügiges Folio. 1 Solche Textdrucke ließ Bach zu den sonntäglichen Gottesdiensten (in Heftform) sowie zu Präsentations- und Repräsentationszwecken (als Flugblatt) herstellen. 2 Ist bei allen Verlusten die Zahl der erhaltenen Notenquellen zu Bachs Vokalwerken noch relativ hoch, so steht die Zahl der erhaltenen Textdrucke in keinem Verhältnis zum ursprünglichen Bestand. Immerhin war schon vor Jahrzehnten ein zunächst ausreichender Blick in die Praxis Bachs möglich. Im Archiv der Nikolaikirche wurden kurz vor 1900 zwei Hefte aufgefunden, die die „Texte Zur Leipziger Kirchen-MUSIC, Auf das Heil. Oster-Fest, Und die beyden Nachfolgenden Sonntage. Anno 1731" und die „Texte Zur Leipziger Kirchen-MUSIC, Auf die Heiligen Pfingst-Feyertage Und das Fest Der H. H. Dreyfaltigkeit. Anno 1731." enthielten. 3 Natürlich wurden sie sogleich zu Datierungen herangezogen, doch führten sie auch zu einigen Fehlschlüssen. 4 Den Heften zufolge führte Bach zur aus den Titelblättern ersichtlichen Zeit des Jahres 1731 die Kantaten 31, 66, 134, 42, 112 sowie 172, 173, 184, 194 auf. Ein besonders glücklicher Fund war ebenfalls um 1900 der des Textes zum Weihnachts-Oratorium, das Ende 1734 als festtägliche „Haupt-Music" erklang. 5 Darüber hinaus sind noch Textdrucke von geistlichen und weltlichen Kantaten erhalten, die Bach u. a. zu Ratswechseln, Geburtstagen, Trauerfeiern, Schuleinweihungen und Huldigungen schrieb. 2 Da 186es sich zumeist um offizielle städtische Feierlichkeiten handelte, wurden sie vor allem in Archiven und Bibliotheken vor der Vernichtung bewahrt. Die Texte zu den „sonntäglichen Musiquen" 6 dagegen wurden offensichtlich nicht für wert gehalten, aufbewahrt zu werden. Der Wandel der theologischen An-schauungen und des literarischen Geschmacks haben sich hier verheerend aus-gewirkt. Zufallsfunde blieben abzuwarten.