ABSTRACT

Ciceros Staatsschrift bildet den Höhepunkt in einem Prozeβ geistiger Auseinandersetzung, in dem Elemente griechischen Denkens dafür erschlossen wurden, Grundzüge der gesellschaftlichen Entwicklung Roms zu analysieren, historische Zusammenhänge zu erkennen und künftige Entwicklungen auch mit den Mitteln philosophischer Theorie zu beeinflussen. Diese Versuche haben ihre Wurzeln in der frühen Krise der römischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v.u.Z. So erscheinen die Namen Panaitios und Polybios keineswegs zufällig als Hauptbezugspersonen im Einleitungsgespräch des 1. Buches von De rep. (34). Die stark akzentuierte Nennung dieser Namen ist nur ein Zug in der schriftstellerischen Strategic, deren sich Cicero bedient, um am Beispiel der Krise des 2. Jh. Grundprobleme seiner eigenen Zeit modellhaft zu diskutieren. Hier Schluβfolgerungen im Sinne einer lange Zeit dominierenden “Quellenforschung” zu ziehen, hat sich als Irrtum mit sehr nachteiligen Folgen für das Verständnis dieser Schrift Ciceros erwiesen—wie manche andere Versuche, ein höchst komplexes Gebilde situationsbezogener Auseinandersetzung mit dem griechischen Erbe auf einfache Formeln zu reduzieren: mögen statt Panaitios nun die Namen Poseidonios oder Antiochos erscheinen.