ABSTRACT

Marktbezogene Heilsversprechungen sind in den sozialen und ökonomischen Krisen der neunziger Jahre vielzählig. Der Markt wird zur zentralen Regelungsinstanz erhoben, der den Tüchtigen Arbeit, Auskommen und Wohlstand, bisweilen sogar Luxus verspricht. Auch wenn viele nicht mehr an diesen segensreichen neoliberalen Internationalismus glauben, entwickelt das neoliberale Weltprojekt eine Dynamik der Unausweichlichkeit, einen ökonomischen Sachzwang: Das, was politisch hergestellt ist—nämlich die Liberalisierung und Entgrenzung des Kapitalismus—wird zur unabweislichen Sachnotwendigkeit zerredet. Die ökonomische Globalisierung legitimiert neoliberale Politik mit dem Argument, daß dem ökonomisch-fiskalischen Weltmarktsog nicht zu entkommen sei. Die Rede über Globalisierung macht die Menschen glauben, nationalstaatliche Politik müsse sich dem Diktat der internationalen Ökonomie beugen und es gebe keine alternativen Handlungsmöglichkeiten mehr—weder durch Regierungen und Parlamente, noch und schon gar nicht von sozialen Bewegungen. Globalisierung wird zum Mythos, sie verwandelt “Kultur” in “Natur” (vgl. Barthes 1985): Ökonomische Globalisierung transformiert die neoliberale Weltsicht in das natürliche Los der Menschen. Ökonomie wird zum Schicksal und Standortwettbewerb zum quasinatürlichen Politikinhalt von Nationalstaaten. Der “Jargon der Globalität”, so Pierre Bourdieu in Anlehnung an Adorno, “ist bis ins Innerste der beherrschten Klasse der europäischen Nationen vorgedrungen und hat dort einen ökonomistischen Fatalismus, eine angesichts des ökonomischen 64Kräftetreibens mehr oder minder verzweifelte Resignation um sich greifen lassen, die zur Entpolitisierung und Demobilisierung führt.” (Bourdieu 1997:14)