ABSTRACT

Untersucht man die aus der Hofkapelle stammenden und in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrten Abschriften Fux’scher Werke in Hinblick auf ihre Kopisten, fällt auf, daß nahezu alle Triosonaten sowie zahlreiche andere Kompositionen dieses Meisters in Primärkopien von ein und derselben Schreiberhand vorliegen. Da aufgrund dieser groß en (von keinem anderen ‘Notisten’ auch nur annähernd erreichten) Anzahl von Abschriften im dahinterstehenden Kopisten zweifellos Fuxens Hauptschreiber zu sehen ist und derselbe nach wie vor (s. u.) als anonym gelten muß, soll in vorliegendem Beitrag der Versuch unternommen werden, dessen ‘Inkognito’ zu lüften und die damit verbundenen Konsequenzen für die Werkdatierung bei Fux aufzuzeigen, wobei bezüglich letzterer darüber hinaus auch noch Überlegungen anderer Natur anzustellen sein werden. Erleichtert wird dieses Bemühen dadurch, daß bereits Walter Gleißner das Kopistenproblem bei Fux im Rahmen seiner Arbeit über dessen Vespern in verdienstvoller Weise in Angriff genommen hat 1 und dabei zu bemerkenswerten, Anregung und gleichzeitig auch Basis zu vorliegender Untersuchung gebenden Resultaten gelangte, wenngleich gerade in der Frage nach jenem Schreiber, der die meisten Abschriften der Vespern anfertigte — und hinter diesem steckt nach dem Schriftduktus ja auch der gesuchte Hauptkopist des Wiener Hofkapellmeisters — keine befriedigende Antwort gefunden werden konnte. 2 Und letzteres ist es auch, was schließlich nochmals (und nicht nur auf die Vespern bezogen) zu fragen berechtigt, welcher von den wenigen, diesbezüglich zur Wahl stehenden Kopisten der Hofkapelle (HK), wie Anton Salcki, Andreas Amiller, Andreas Abendt, aber auch Kielian Reinhardt, 3 Fuxens bevorzugter Schreiber gewesen sein könnte. Da es keine direkten Beweise gibt, also keine Schriftzeugnisse vorliegen, die eine zweifelsfreie Zuordnung erlauben, und auch keiner dieser Schreiber seine Arbeiten signiert hat, kann eine Lösung des Problems nur auf indirektem Wege erfolgen: d.h., es ist zu untersuchen, inwiefern sich die Zeitspanne, in welche die überlieferten Abschriften jenes Hauptkopisten von Fux (vorläufig mit X bezeichnet) fallen, mit Lebensdaten, Anstellungszeitraum 110und Beschäftigungsart in der Hofkapelle, oder mit sonstigen, die genannten vier Persönlichkeiten betreffenden Fakten jeweils in Einklang oder nicht in Einklang bringen läßt. Zumal dabei naturgemäß die frühesten und spätesten Belege für die Hand von X von entscheidender Bedeutung sind, ist es vorerst einmal notwendig, dieselben aufzulisten, um im Anschluß daran anhand einer Gegenüberstellung bzw. eines Vergleichs mit den einzelnen Kopisten eine Entscheidung zu treffen.