ABSTRACT

Verners gesetz" ist ohne zweifel der beriihmteste lautwandel der neueren sprachforschung, der am häufigsten besprochene und erklärte. In genialer weise hat Verner den zusammenhang zwischen alten indischen betonungen und modemen westeuropäischen konsonanten entdeckt. Der titel seiner kleinen abhandlung hiess „Eine ausnahme der ersten lautverschiebung", und das war ganz natürlich, denn was er erklären wollte, musste für die damalige forschung als eine ausnahme, oder eigentlich als viele ausnahmen, erscheinen. Was seine untersuchung aber brachte, war die erkenntnis, dass wir es nicht mit einer verschiebung der ursprünglichen tenues zu tun haben — wonach z. b. t zwar gewöhnlich zu þ, aber doch in einer ziemlich grossen anzahl von wortern zu d geworden wäre —, sondern dass wir zwe'i getrennte vorgänge haben, erstens eine verschiebung, durch welche man statt der ursprünglichen stimmlosen tenues überall stimmlose engelaute bekam — also ein offnen eines fruheren verschlusses, während alles andere, artikulationsstelle und stimmlosigkeit, unverändert blieb — und zweitens eine verschiebung ganz anderer art, wodurch nur die stimmverhältnisse geandert wurden, alles andere aber unberührt blieb; und dann wurde nachgewiesen, dass diese letztere verschiebung im gegensatz zu der ersteren von akzentverhältnissen hältnissen abhängig war, indem der damals noch vorhandene ursprüngliche akzent den unmittelbar darauf folgenden konsonanten vor stimmhaftwerden schützte. Das merkwürdige war nun, dass beide vorgänge, öffnen und stimmhaftwerden, in einem unerhörten grad ausnahmslos waren. Der erste ergriff alle tenues, der zweite alle engelaute, die sich damals in der sprache fanden, also — und das ist ausserordentlich wichtig — nicht nur die durch die erste verschiebung entstandenen engelaute, sondem auch den aus der urzeit vererbten s-laut. Dadurch erwies sich deutlich der zweite vorgang als von dem ersten durchaus unabhängig: das stimmhaftwerden hat mit der „germanischen lautverschiebung" — d. h. mit der behandlung der verschlusslaute, durch die das germanische lautsystem sich so deutlich von dem arischen (idg.) unterschied — gar nichts zu tun, es ist eine innergermanische angelegenheit, und das stimmhaftwerden trat einige zeit, wahrscheinlich erst mehrere jahrhunderte, nach dem öffnen der alten verschlusslaute ein.