ABSTRACT

Das gescheiteste, was je über das wesen der sprache gesagt ist, ist der satz von Wilhelm von Humboldt: die sprache ist kein ergon, kein fertiges werk, sondern energeia, tätigkeit. Weder Humboldt noch irgendein anderer sprachforscher hat jedoch die voile konsequenz von dieser auffassung gezogen; das kann nur die sprachliche energetik, die eben noch zu schaffen ist. Ein wort ist kein ding in der aussenwelt, es besteht natürlich nicht aus den schwarzen figuren auf einem blatt papier, die wir buchstaben nennen, sondern es ist eine psychologisch-physiologische tätigkeit des einen menschen, um von anderen menschen verstanden zu werden; oder vielmehr, das einzelne wort ist eine sitte, eine soziale gewohnheit, die mit solchen gewohnheiten wie dem hutabnehmen zu vergleichen ist. Um sprachliche erscheinungen richtig zu verstehen, muss man sich diese einleuchtende wahrheit in jedem augenblick vergegenwärtigen, man muss die herrschende terminologie in eine energetische übersetzen, dann wird man vielfach neue und fruchtbringende gesichtspunkte von dem grössten theoretischen und praktischen belang gewinnen.